Locker am Hocker: Die richtige Haltung beim Klavier spielen

von Elke Galvin Februar 08, 2024 • 6 Min. Lesezeit
Eine gesunde, entspannte Haltung am Klavier von Anfang an erleichtert dir das Spielen nicht nur fühlbar, sondern man kann es sogar hören! Spiele schneller und besser mit der optimalen Klaviertechnik.
Entspannt und locker die schwierigsten Stellen meistern - das ist das Ziel. Aber wie sitzt du richtig auf dem Klavier? Hier findest du einen kompakten Überblick über alle Bereiche der Haltung, die beim Klavier spielen förderlich sind: Sitzhöhe, Entfernung vom Klavier, Arme, Finger, Beine, Rücken und Nacken.
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Achte regelmäßig darauf, ob du eine gute oder schlechte Haltung beim Klavier spielen einnimmst - Haltungsfehler können sich unbemerkt einschleichen. Hast du sie dir erst einmal angewöhnt, ist es mühsam, sie wieder loszuwerden.

So stellst du fest, ob du beim Klavier spielen eine schlechte Haltung einnimmst

Wenn du keinen Klavierlehrer bzw. keine Klavierlehrerin hast, die dich darauf hinweisen, kannst du auch jemanden bitten, dich gelegentlich beim Klavier spielen mit dem Handy zu filmen. Vergleiche dann das Bild, das du bietest, mit den Fotos in unseren Abbildungen. Oder du stellst einen Spiegel seitlich vors Klavier, sodass du während des Spielens selbst auf deine Haltung achten kannst.

Auch diese Probleme können die Ursache in falscher Haltung am Klavier haben:

  • Nach dem Üben tut der Rücken und/oder Nacken weh
  • Die Finger verspannen sich und/oder fühlen sich steif an, je mehr du übst
  • Du hast Schmerzen in den Handgelenken oder Händen
  • Die Arme fühlen sich beansprucht an
  • Hohe oder tiefe Lagen lassen sich nur unter Einsatz von viel Kraft erreichen - oder gar nicht
  • Nach dem Klavier spielen bist du körperlich erschöpft und ausgelaugt

Um diesen und ähnlichen Problemen vorzubeugen oder sie zu beheben, achte auf diese Punkte:


Das muss sitzen: Dein Klavierhocker und du

Der Klavierhocker ist bei der Anschaffung eines Klaviers oft ein Randgedanke. Aber du kannst nicht einfach auf einem x-beliebigen Stuhl Platz nehmen, sondern brauchst ...

  • einen stabilen Hocker, damit du bequem und ohne ein "wackeliges" Gefühl auf ihm sitzen kannst.
  • einen Hocker mit einer festen Sitzauflage - du kannst dir also nicht einfach ein paar Pölster unter den Po stopfen, falls du zu niedrig sitzt. Und das bringt uns zum 3. Punkt:
  • Der Hocker muss sich an deine Größe anpassen lassen. Wenn z.B. du gemeinsam mit deinem Kind das Klavier nützt, sollte sich der Hocker rasch hochstellen lassen, um dem Kind die richtige Sitzhaltung zu ermöglichen, und ebenso rasch wieder hinunterschrauben, damit auch du bequem in der für dich richtigen Höhe üben kannst.
Sitzposition

Fern oder nah - die optimale Position des Hockers

FALSCH: Rückst du mit dem Hocker zu nahe ans Klavier - etwa so, als würdest du dich an den Esstisch setzen und den Speck schneiden beginnen - dann wird dir dein eigener Körper beim Spielen in den höheren oder tieferen Lagen im Weg sein. Die stark gebeugten Arme haben kaum Spielraum, die Handgelenke knicken seitlich ab, wenn sie in mittleren Lagen spielen, und möglicherweise knicken sie auch nach unten ab.

AUCH FALSCH: Wenn du mit dem Hocker zu weit vom Klavier abrückst, hast du zwar mit den Armen genug Platz zum Schlenkern. Aber es ist recht kraftraubend, mit fast waagrecht durchgestreckten Armen zu spielen. Und du hast nicht genügend Impulskraft für ein dynamisches Spiel.

RICHTIG: Du sitzt auf der vorderen Hälfte des Klavierhockers. Wenn du die Finger auf die Tasten legst, sollten deine Ober- und Unterarme ungefähr einen rechten Winkel bilden. So kannst du dich einerseits unverkrampft auf den Tasten bewegen und andererseits genügend Kraft und Spannung für ein dynamisches Spiel aufbauen.

Die richtige Sitzposition

Beinhaltung - wohin mit dem linken Bein?

Zur richtigen Körperhaltung zählt am Klavier auch die Beinhaltung. Gerne vergessen wird dabei das linke Bein.

FALSCH: Das linke, oder gar beide, Beine schlingen sich um den Klavierhocker oder verspreizen sich unter dem Klavier oder auf dem Bord, das die Pedale hält. Das ist oft ein Versuch, mehr Spannung im Oberkörper zu erzeugen. Aber leider wird dadurch die falsche Art Spannung erzeugt - die Verspannung.

AUCH FALSCH: Das linke Bein ragt lässig irgendwo seitlich in die Gegend. Du richtest damit zwar nicht viel Schaden an, aber Spannung aufzubauen oder mit der Fußspitze die Viertelnoten mitzuklopfen ist dadurch nicht möglich.

RICHTIG: Die richtige Beinstellung muss es dir immer ermöglichen, bequem die Pedale mit dem rechten Fuß zu erreichen. Das linke Bein steht als lockere Stütze neben dem "arbeitenden" rechten.

Fußstellung

Locker gekrümmt - die Haltung der Hände am Klavier

FALSCH: Der "Tyrannosaurus Rex" setzt seine Finger klauenartig steil von oben auf. Das sieht erstens seltsam aus und ist zweitens kraftraubend und drittens die Handgelenke belastend.

AUCH FALSCH: Spiele bitte auch nicht mit flachen Fingern in einer Pose, als würdest du den Lack auf deinen Nägeln dadurch schneller trocknen lassen wollen. Damit würdest du deine Fingergelenke umknicken und überlasten.

RICHTIG: Die Handgelenke sind gerade, nicht geknickt. Locker gekrümmt liegen die Finger auf den Tasten, als würden sie sie mit den Fingerspitzen kraulen wollen. So kannst du gezielt, dynamisch und gelenkschonend spielen.

Handhaltung

Ein schöner Rücken soll entzücken

FALSCH: Sei nicht wie Rotkäppchens Wolf, mache keine krummen Posen "damit ich sie besser sehen kann"! Beuge dich also nicht vor, auch wenn du die Noten dann vielleicht genauer lesen kannst oder deine Finger auf der Tastatur besser im Blick hast! Wenn du feststellst, dass du nach dem Üben einen steifen Nacken und verspannten Rücken hast, könnte deine "Wolfspose" das Problem sein.

AUCH FALSCH: Die Entenpose. Du sitzt zu weit weg auf dem Klaviersessel und beugst dich unbewusst vor, bemühst dich aber um einen aufrechten Sitz und rutschst in ein entenartiges Hohlkreuz.

Auch in dieser Sitzposition wirst du bereits nach kurzer Zeit Rückenschmerzen und Verspannungen spüren, das Üben wird anstrengend und ermüdend.

RICHTIG: Sitze aufrecht auf dem vorderen Bereich deines Klavierhockers. Stelle die Noten so auf, dass du sie gut im Blick hast, ohne dich irgendwie verbiegen zu müssen. Tipp: Auf einem Tablet kannst du die Noten so groß machen, wie du sie brauchst. Schau beim Spielen nicht auf deine Finger.

Falsche Klavierposen

Die richtige Haltung am Klavier - die Zusammenfassung

  • Der Hocker ist vom Klavier genau so weit entfernt, dass du auf der vorderen Hockerhälfte sitzend mit den Armen im rechten Winkel mit den Fingern schön mittig die Tastatur erreichst.
  • Das rechte Bein ist in Pedalnähe, das linke locker neben dem rechten aufgestellt
  • Die Handgelenke sind gerade, die Finger locker gekrümmt, als würden sie das Klavier zart kraulen.
  • Der Rücken ist aufrecht, die Schultern entspannt, du siehst bequem in die Noten.
Die richtige Haltung

Diese 3 Stars sind keine Vorbilder bei der Klavierhaltung!

Wir alle kennen die Bilder und Videos von Klavier-Profis, die in "völlig falscher Haltung" virtuos über die Tasten gleiten. Hier gilt das Sprichwort aus dem Lateinuntericht:

"Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Rind nicht erlaubt"

Für ihren eigenwilligen Klavier-Stil sind diese 3 Stars bekannt:

  • Glenn Gould saß so niedrig, dass er mit den Händen zwangsläufig T-Rex-Klauen machen musste. Aber für ihn war das auch völlig in Ordnung, gemäß seinem Ausspruch

Klavier spielt man nicht mit den Händen, sondern mit dem Kopf!

  • Vladimir Horowitz wiederum saß so hoch und spielte mit so flacher Handhaltung, dass uns teilweise beim Zusehen die Finger schmerzen. Dazu muss man aber wissen, dass er auf einem speziell auf seine Bedürfnisse abgestimmten Steinway-Flügel konzertierte, der extrem leichtgängig war.
  • "Teufelspianist" Jerry Lee Lewis: Er spielte gelegentlich sogar mit seinen Füßen Klavier, kickte den Klavierhocker weg, um im Stehen zu spielen...und zündete sein Instrument an. Bei aller Würdigung des Klavier-Revoluzzers würden wir hier nicht zur Nachahmung raten!

AUTORIN
Elke Galvin
Elke Galvin ist britisch-österreichische Sängerin und Multiinstrumentalistin. Sie arbeitet seit über 25 Jahren sowohl als Musikerin als auch als Journalistin. Sie ist nicht nur Songwriterin, sondern liebt es auch, über Musik zu schreiben! Ihre Leidenschaft ist es, Musiktheorie leicht verständlich zu machen, über Musikstile zu schreiben, über Musik und das Gehirn, und darüber, wie man Spaß am Lernen und Spielen von Musik hat.

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